Gelber Teig und duftende Hände

… ein Besuch in der ältesten Seifenmanufaktur Stuttgarts.

Der Begriff Manufaktur ist zur Zeit in aller Munde und so habe ich mich auf die Suche nach einer Stuttgarter Manufaktur gemacht, um den Kindern anhand einer Führung zu zeigen was eine Manufaktur denn eigentlich ist.
Fündig geworden bin ich bei einem familiengeführten Seifenhersteller in Stuttgart, den es seit langem gibt: Die Seifenmanufaktur Haag in Feuerbach.

Seife für den König

Tradition wird hier seit 1756 ganz groß geschrieben. Am 3.Juli 1756 gründete Johann Matthias Haag seine kleine Seifenfirma in der Stuttgarter Innenstadt. Diese wurde 1880 unter Führung von Carl Friedrich Haag sogar zum königlichen Hoflieferanten von König Karl und Königin Olga ernannt (Königin Olga soll Bitter Mandel bevorzugt haben).
Leider fiel das Unternehmen dem Wettbewerb im Massenkonsum zum Opfer und musste am 30.Juni 2000 seine Türen schließen – die Konkurrenz durch Kaufhäuser war zu groß geworden.

Matthias Haag (Neffe des letzten Inhabers) und seine Frau Nicole entschlossen sich im Jahr 2013 das Traditionsunternehmen in der 7. Generation wieder aufleben zu lassen und ihm einen neuen Anstrich zu verpassen. Zunächst erwarben sie in der Schweiz Maschinen aus dem Jahre 1950 zur traditionellen Seifenproduktion und machten sich dann auf die Suche nach einem geeigneten Standort für ihre kleine Manufaktur. Nach langer Suche wurde man schließlich in Stuttgart Feuerbach fündig. Mit viel Liebe fürs Detail und modernen Elementen verlieh das Ehepaar dem alten Steinhaus neben Funktionalität neuen Glanz und Glamour. Nach fünfjährigen Umbauarbeiten konnte 2017 endlich die erste Seife produziert werden.

Seitdem werden dort in kleinen Mengen (bis 300 Stück) Seifen in den verschiedensten Formen und Farben in Handarbeit hergestellt. Jeder Seifentraum kann n der kleinen Manufaktur wahr werden. Der Klassiker ist der sogenannte „Handschmeichler“ (weil die Seife optimal in der Hand liegt), welcher als erstes Produkt wieder zum Leben erweckt wurde.

Auf in die Seifenwerkstatt

Aus der kleinen Besuchergruppe hallt der erste Freudenschrei als die Kinder den alten Bulli Bus in der Einfahrt der Manufaktur erblicken. Dieser ist – wie die gesamte Einrichtung der Manufaktur – ein absoluter Hingucker und Inhaber Mathias Haag verspricht eine kleine Spritztour nach Ende der Besichtigung.

Nun aber schnell hinein in die Manufaktur in der uns sofort ein herrlich frischer Duft entgegenströmt.

Frau Haag spendiert uns eine Limo während wir Platz nehmen und beginnt uns etwas über die Historie der Seife zu erzählen. „Wisst ihr wie alt die Seife ist und woher sie kommt?“, fragt sie die Kinder. Die Schätzungen liegen weit daneben. Die Seife kommt ursprünglich aus Syrien und ist ca. 4000 Jahre alt. Nach Europa kam sie über Marseille und wurde zunächst mit Fischfett hergestellt. Da der Geruch natürlich sehr eklig war wurde aus der Provence Lavendelduft hinzugefügt und die Seife wurde zu dem was wir heute kennen.

Kinderhände machen Kinderseife

Zunächst bittet Frau Haag die Kinder, sich ordentlich die Hände zu waschen. Händewaschen ist nicht nur in Zeiten von Corona ein absolutes Muss sondern natürlich auch zur Herstellung eines Hygieneartikels wie der Seife.
Kinder mögen es ja meistens nicht, die Hände zu waschen. Vielleicht ändert sich das ja mit der Herstellung einer eigenen Seife.

Gespannt lauschen die Kinder Frau Haag, als sie erklärt, wie Seife hergestellt wird.
Ihre Seifen sind ausschließlich vegan, d.h. sie bestehen aus natürlichen Grundmaterialien von Pflanzen wie Palmöl, Kokosöl, Glycerin und Natursalz. Ein Kind durfte das Rezept für unsere Seife aufschreiben.

Hier die Zutaten:

Zuckertensid (das hilft der Seife, sich mit Wasser aufzulösen)
Duft
Haltbarmacher
Farbe (die Kinder haben sich für Gelb entschieden)

Die Zutaten wurden zunächst in einer großen Schüssel vermengt. Danach wurde der „gelbe Seifenteig“ in die erste Maschine gegeben welche die Oberfläche der Seife aufbricht. Dort kam die Seife, zur Freude der Kinder, wie „gelber Parmesan“ wieder heraus.

„Vorsicht mit den Fingern!“, mahnt Frau Haag. „Diese alten Maschinen sind sehr gefährlich für Kleien Kinderhände!“ Vorsichtig und aufmerksam ging es weiter: Das drücken des Seifenteigs in die Maschine und das Herausziehen des Parmesans machte den Kindern richtig viel Freude. Stolz hielten sie den geschmeidigen und duftenden Seifenparmesan in den Händen und Konten gar nicht genug davon bekommen.

Jetzt kam die Seife in eine Walzmaschine um von dort auf dem Förderband in den sogenannten „Refiner" zu kommen. Durch eine Lochplatte spuckt dieser die Seife wie „Spaghetti“ wieder aus. Danach kommen die „Spaghetti“noch in ein weiteres Werkzeug welches die Fäden zu einem Seifenstrang zusammenfügt. Damit ist die Seife auch schon fertig und kann in die Schneidemaschine bzw. in die Formen. In unserem Fall konnten sich die Kinder ihre Seifen selbst zurechtschneiden, was viel Spaß machte und der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt.
Dann war der Ausflug in die Seifenwelt aber leider auch schon zu Ende.

Im Anschluss an die versprochene Spritztour mit dem Bulli-Bus bekam jedes Kind noch eine kleine Tüte voller bunter, duftender Seifen mit nach Hause. Damit und voller Stolz auf ihre Arbeit verließen sie glücklich die Manufaktur.

Wir bedanken uns ganz herzlich für den Blick hinter die Kulissen und den tollen Nachmittag. In Erinnerung bleibt uns der Enthusiasmus, mit dem eine alte Tradition mit viel Liebe, Geduld und Geschmack nach Stuttgart zurückgeholt wurde.

… und mit der eigenen Seife wird das Händewaschen ab jetzt von der Pflicht zum Spaß.